Die Forderung nach Respekt

Eine scharfe Waffe im Beziehungskampf



Seit ein paar Jahren nehmen die Beschwerden über fehlenden Respekt in den Beratungen zu. Inzwischen taucht dieses schöne Wort in fast jeder zweiten Erstberatung auf. Wieso zucke ich innerlich zusammen, wenn es fällt?

Weil es eine scharfe Waffe ist im Beziehungskrieg. Und –absichtlich oder unabsichtlich- auch so verwendet wird: Fehlender Respekt, da klingt das verletzte Grundrecht auf Menschenwürde mit. Was muss das nur für ein Mensch sein, der dieses Grundrecht ausgerechnet in der Liebesbeziehung verweigert!

Doch wenn es wirklich stimmen würde: was wollen die beiden noch in der Beratung? Wenn der eine den andern wirklich nicht mehr respektieren würde, kann man sich doch nur noch trennen. Schon um den Selbstrespekt zu wahren.

Zum Glück reagiere ich in diesen Situationen nicht spontan genervt. Sondern nehme ernst, was ich spüre. Symptom: Mir stellen sich die Nackenhaare auf. Anlass: Vorwurf des fehlenden Respekts. Was ist mein Problem damit, außer dass mich der Luftzug der moralischen Keule gestreift hat?

Mein Problem ist, dass ich keine Ahnung habe, worauf sich der Vorwurf eigentlich bezieht. Ich könnte wild assoziieren von „er schlägt sie“ bis zu „er hält ihr nicht mehr die Tür auf“. Aber ich weiß nichts Konkretes, und das macht mich immer nervös. Kein Problem. Als Beraterin kann ich ja einfach nachfragen.

Das tue ich, und ab da beruhige ich mich. Mehr noch, in mir wächst Verständnis: da ist jemand wirklich sehr verzweifelt. Zum Beispiel, weil alle Bitten, die übernommenen Aufgaben im Haushalt auch tatsächlich zu erledigen, fruchtlos geblieben sind. Ärger und Ohnmachtsgefühle kann ich gut nachvollziehen. Allerdings - wenn sie ihm fehlenden Respekt vorwirft, wird er die Wäsche auch nicht zuverlässiger sortieren!

Und ich erkläre den beiden, dass Liebe so nicht funktioniert. Respekt ist eine Beziehungsqualität. Wie Loyalität und Vertrauen kann man auch Respekt nicht abfordern oder einklagen. Man muss ihn sich verdienen. Sich seiner würdig erweisen.

Und was bedeutet das für die Klientin mit dem haushaltsunwilligen Mann?

Sie muss sich nicht länger hinter dem Vorwurf des fehlenden Respekts verstecken. Sondern sie kann sich ernst nehmen, ihm gegenübertreten und ihm klar und deutlich sagen, dass es sie ärgert, wenn er seine Zusage nicht einhält, die Wäsche einzuräumen. Sie kann ihn fragen, ob es ihm jetzt möglich ist.

Dabei weiß sie, dass sie ihn nicht zwingen kann, aber sie weiß auch, dass es ihre eigenen Entscheidung ist, ob sie den Abend schlechtgelaunt mit ihm zwischen unsortierter Wäsche verbringt. Oder ob sie mit ihrer Freundin ins Kino geht.  Nicht als Strafaktion, sondern um unter den gegebenen Bedingungen gut für sich zu sorgen. Das wird ihm vermutlich nicht besonders gefallen - aber Respekt abnötigen.

Und manchmal fällt auch das Wort Respekt und ich zucke nicht zusammen.

Zum Beispiel bei dem Paar, wo er traurig erzählte, dass er sie immer bewundert habe für die Dinge die sie tat. Doch seit die  Kinder da seien, fürchte er, den Respekt für sie zu verlieren, weil sie so oft am Jammern und Klagen sei. Das war für beide ein Alarmsignal. Und der Ausgangspunkt dafür, miteinander Veränderungen in Alltag und Beziehung anzugehen.

Sein Mut, ein für beide nicht so einfaches Thema ehrlich anzusprechen, flößte mir wirklich Respekt ein.

(C)Berit Brockhausen 2009

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