Alltag und Leidenschaft

Ein Schutzgebiet für die Liebe



Ja, es ist wahr: Wenn ein Liebespaar beschließt, in Zukunft nicht nur Liebende füreinander sein zu wollen, sondern auch Lebensgefährten und vielleicht sogar Eltern, sind Lust und Leidenschaft in Gefahr.

Zum einen, weil die Partner ab jetzt sehr viel mehr verbindet als Begehren. Denn die Sicherheit und das Vertrauen wächst. Deshalb muss immer weniger Fremdheit durch leidenschaftlichen Sex überbrückt werden. Zum andern, weil die Sachzwänge des Alltags Entscheidungen erfordern. Meist zugunsten der Pflichten und auf Kosten der vergnüglichen Momente zu zweit.

Wer also denkt, Beziehungssex müsse immer so aufregend bleiben wie Veriebtheitssex, bekommt ein grundsätzliches Problem. Entweder er hält die gemeinsame Sexualität für gestört oder er vermeidet Beziehungen - was beides verdammt schade wäre.

Doch wenn Sie bereit sind, die Nachteile des Verliebtheits- oder Affärensex' gegen die Nachteile des Beziehungssex' einzutauschen, dann gilt es, damit so umzugehen, dass Genuss und Spaß weiterhin - wenn auch anders - möglich sind.

Wer die Sache einfach laufen lässt, wird schnell feststellen, sie folgt dem "Gesetz der Schwerkraft" (Danke an U. Clement für diese großartige Formulierung): Nach und nach läppert es sich aus. Und irgendwann übernimmt einer von beiden die Rolle des Unzufriedenen und der andere zeigt durch seine Unlust deutlich, dass die Erotik im Alltag zu wenig Chancen hat.

Keine Sorge, ich komme jetzt nicht mit den üblichen Sextipps. Erstens funktionieren die eh nicht. Und zweitens ist das Nachlassen der erotischen Leidenschaft nicht das einzige Problem in dieser Situation, und auch nicht das gefährlichste.

Lust entsteht in einer längeren Beziehung eben nicht mehr durch die Spannung der Fremdheit und Unsicherheit - na und? Man kann sie ja einladen, anstatt zu warten, dass sie einen überkommt. Aber dafür braucht es nicht nur Zeit und Gelegenheit. Sondern noch etwas Grundsätzlicheres:

Jede Lebensgemeinsachaft braucht ein Reservat für das Liebespaar. Es ist sonst tatsächlich in der Alltagswelt vom Aussterben bedroht.

Was das heißen soll? Es bedeutet: Sie brauchen Zeit und Gelegenheit, Spaß miteinander zu haben, interessante Gespräche, Lachen und Zärtlichkeit. Sex besser nur, wenn er sich ergibt und keiner dadurch unter Druck gerät. Lassen Sie den Alltagsärger aufeinander draußen, wenn sie können. Oder beginnen Sie die gemeinsame Zeit mit einer halben Stunde, in der sie einander informieren, was Sie blöd fanden. Wenn es Ihnen gelingt, in dieser Zeit eins der Probleme gemeinsam zu lösen - um so besser.

Doch das wird nicht einfach. Sie müssen nämlich nicht nur dieses Refugium gemeinsam schaffen, sondern sie müssen es auch gegen alle Forderungen des Alltags schützen, sie müssen es so gestalten, dass beide sich damit wohlfühlen und sie müssen es pflegen. Kompromisse und widerwillige Zugeständnisse sind dabei tödlich. Ehrlichkeit kann zu Spannungen führen, aber auch den Kontakt vertiefen.

Leider gibt es keine Patentrezepte. Paare, die damit zurecht kommen, schwören auf die Zwiegespräche nach Möller. Andere stürzen sich wie früher gemeinsam ins Nachtleben. Zum Glück sind Sie nicht allein, wenn es gilt, das Liebesreservat einzurichten: gewinnen Sie Ihren Partner oder Ihre Partnerin als Verbündeten.

(C)Berit Brockhausen 2011

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Bitte beachten Sie auch mein Buch "Guter Sex geht anders" (2014)
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